Das „Recht auf Vergessenwerden“ bedeutet, dass personenbezogene Daten gelöscht werden können oder sogar gelöscht werden müssen. Diese Regelung wurde mit der Einführung der Europäischen Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) 2018 eingeführt – und positioniert die europäische Datenschutzgesetzgebung damit im Spannungsverhältnis zwischen Datenschutzinteressen einerseits und Informationsfreiheit andererseits deutlich auf der Seite des Datenschutz‘.
Wenn die Daten nicht mehr für den Zweck, für den sie erhoben worden sind, benötigt werden, müssen die Daten gelöscht werden. Das gleich gilt, wenn die Betroffenen ihre Datenschutzeinwilligung widerrufen und das weitere Speichern aus keinem anderen, rechtssicheren Grund erlaubt ist. Auch wenn die Betroffenen Widerspruch gegen die Datenverarbeitung einlegen, müssen die Daten in der Regel gelöscht werden.
Wer personenbezogene Daten sammelt, muss in vielen Fällen personenbezogene Daten löschen, wenn die Gesetzgebung dies verlangt und Daten auf Antrag der Betroffenen löschen. Das Recht auf Vergessenwerden ist je nach Anwendungsbedarf nicht ganz unumstritten. Schließlich greift die Gesetzgebung mit der grundsätzlichen Priorisierung des individuellen Datenschutz‘ in die Informationsfreiheit ein. Denn alle diejenigen, die Daten verarbeiten, müssen grundsätzlich die Datenschutzinteressen der Betroffenen berücksichtigen. Die fraglichen Informationen könnten allerdings auch im öffentlichen Interesse liegen und müssten in einem solchen Fall, auch im Interesse der Pressefreiheit, abrufbar bleiben.
Urteil des Europäischen Gerichtshof: Google muss vergessen
Die strenge Auslegung des „Rechts auf Vergessenwerden“, ein Ausdruck den der österreichische Rechtswissenschaftler Viktor Mayer-Schönberger prägte, hat ihren Ursprung in einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH), der in einem Rechtsstreit zwischen Maria Costeja Gonzales und Google zugunsten Gonzales‘ urteilte.
Der Rechtsstreit entzündete sich daran, dass Gonzales 2014 bei der spanischen Datenschutzbehörde den Antrag stellte, einen Artikel aus dem Jahr 1998 über sich bei einer spanischen Tageszeitung und den entsprechenden Eintrag bei Google, löschen zu lassen.
Er argumentierte, dass die dort hinterlegten personenbezogenen Daten von keinerlei Interesse mehr sein könnten. Der in diesem Artikel erwähnte Sachverhalt wäre seit Jahren erledigt und damit nicht mehr erwähnenswert. Google weigerte sich der Löschanweisung der spanischen Datenschutzbehörde Folge zu leisten und der Europäische Gerichtshof musste über die Klage entscheiden.
Wegweisend für das Verfahren und für die gegenwärtige Gesetzgebung ist die Feststellung des Gerichtshofs in Luxemburg, dass auch Unternehmen wie Google, deren Server außerhalb Europas personenbezogene Daten verarbeiten, den europäischen Datenschutzgesetzen unterworfen sind. Laut dem EuGH ist nicht der Ort entscheidend, an dem die personenbezogenen Daten verarbeitet werden, sondern wo das Unternehmen tätig ist und wo die Daten erhoben bzw. genutzt werden. Da Google in der Europäischen Union tätig ist und die personenbezogenen Daten von Bürgern der europäischen Union für die eigenen Werbetätigkeiten nutzt, gelten die Datenschutzgesetze der EU und ihrer Mitgliedsstaaten auch für Google.
Datenschutz und Informationsfreiheit muss abgewogen werden
Mit dem Urteil und der DSGVO verschiebt sich das Verhältnis zwischen Datenschutz und Informationsfreiheit deutlich zugunsten des Datenschutz. Das Medienprivileg, über Sachverhalte mit personenbezogene Daten berichten zu dürfen, gilt ausdrücklich nicht für Suchmaschinen.
Während eine Zeitung oder ein Rundfunksender berichten dürfen, wenn beispielsweise gegen eine Person des öffentlichen Lebens strafrechtlich ermittelt wird und dabei auch personenbezogene Daten, wie den Namen der Person, veröffentlichen dürfen, gilt dieses Recht nicht für Suchmaschinen.
Denn die Suche nach einem Namen in einer Suchmaschine erlaubt es, ohne großen Aufwand und womöglich ohne öffentliches Interesse, ein sehr detailliertes Profil der entsprechenden Person zu generieren. Um das zu verhindern, verpflichtet das europäische Datenschutzrecht Suchmaschinen wie Google dazu, auf Antrag personenbezogene Daten aus den Suchergebnissen zu löschen.
Diesen Anträgen muss grundsätzlich entsprochen werden. Einzig „in besonders gelagerten Fällen“, wie es in Absatz 81 des o.g. Urteils ausgedrückt wird, sind Ausnahmen dieser Grundregel erlaubt. Was solche Fälle sind, ist bisher allerdings noch nicht bekannt. Es ist auch davon auszugehen, dass Anträgen immer Folge geleistet wird, um einen Rechtsstreit zu vermeiden.
Google stellt Formular fürs Vergessenwerden bereit
Wer einen Google Eintrag zur eigenen Person löschen lassen möchte, kann dies heute problemlos mit einem entsprechenden Formular erledigen. Dieses Formular gilt nur innerhalb der EU, Island, Norwegen, Liechtenstein und der Schweiz. Seit dem Brexit nicht mehr in Großbritannien.
In der Regel können Betroffene davon ausgehen, dass Google ihre Daten nach einer solchen Anfrage tatsächlich löschen wird. Wie lange dies jedoch dauert, kommt auf den Einzelfall an.
Mit der Einführung der DSGVO gilt durch den Artikel 17 der Satz „Das Internet vergisst nichts“ nicht mehr.