Während die strengen Einschränkungen die vor wenigen Wochen eingeführt worden sind langsam aber sicher gelockert werden, damit sich ein etwas normaleres Leben entwickeln kann, stehen Politik und Gesellschaft vor der Herausforderung, wie eine wirkungsvolle Pandemie-Bekämpfung gleichzeitig mit einem öffentlichen Leben stattfinden kann.
Denn eines ist klar: Nicht nur aus wirtschaftlichen Gründen, muss langsam wieder zurück zu einer Normalität gefunden werden. Die Last des Lockdowns lastete schwer auf den Unternehmen und der Psyche aller. Nach wie vor sollen Tracking- oder Tracing-Apps dabei helfen, neu aufkommende Infektionsherde schnell zu identifizieren und die Seuche einzudämmen. Damit dies funktionieren kann, müssen diese Apps sensible, personenbezogene Daten sammeln und ggf. sogar austauschen. Eine besonders kritische Begleitung dieser Diskussion ist schon allein aus diesen Gründen unbedingt nötig.
Während die ursprünglich geplante App noch gar nicht veröffentlicht worden ist, beginnen bereits die Planungen an einer weiteren App. Diese soll Gesundheitsämtern unter anderem dabei helfen, zu kontrollieren, ob sich Infizierte oder Verdachtspersonen auch tatsächlich an die häusliche Quarantäne halten.
Wann soll die erste Corona-App veröffentlicht werden?
Für die deutsche Version einer Corona-App, die dazu dienen soll, Infektionsketten nachvollziehen zu können, hat eine Kooperation der beiden Unternehmen Telekom und SAP ein konkretes Konzept auf Github vorgelegt. Github ist eine der größten Plattformen für den Austausch von Open-Source-Software und die beiden Unternehmen entwickeln im Auftrag der Bundesregierung eine Corona-App.
Die App soll laut diesem Konzept bis Mitte Juni fertiggestellt werden und orientiert sich an den Ergebnissen der gesellschaftlichen und politischen Diskussion der letzten Wochen. Anstatt wie zuerst geplant die GPS-Standortdaten des Handys abzufragen, wird sich die App per Bluetooth mit den Geräten in ihrer Umgebung verbinden, um nachvollziehen zu können, wie lange sich das Handy in der Nähe eines anderen befundet hatte. Nur wenn ein anderes Gerät lange genug in der Nähe gewesen ist, sodass ein Ansteckungsrisiko bestehen kann, wird dieser Kontakt von der App protokolliert.
Wenn ein Nutzer zu einem späteren Zeitpunkt positiv auf das Covid-19-Virus getestet werden sollte, können diejenigen, die sich in dessen Nähe aufgehalten haben, anonym mit der App informiert werden.
Eine weitere Funktion soll sein, dass die Nutzer der App mit dieser den Status eines Corona-Tests abfragen können, wenn sie getestet werden sollten. In diesem Fall können die Nutzer der App den digitalen Testinformationsprozess starten und so schnellstmöglich über das Ergebnis informiert werden.
Die Entwickler der App versichern in ihrem Konzeptpapier, dass sie nur die unbedingt nötigen Informationen abfragen werden, damit die Nutzer über potentielle Ansteckungen und Risiken informiert werden können. Sollten sie über eine Ansteckung in ihrem Umfeld gewarnt werden müssen, so die Entwickler, wird ihre und die Identität des positiv Getesteten nicht preisgegeben.
Wie kommentieren Datenschutzexperten das Konzept?
Datenschutzexperten aus allen Parteien begrüßen das Konzept. Besonders positiv wird der für jeden nachvollziehbare, Open Source Quellcode aufgenommen. So werde sichergestellt, dass sich keine versteckten Datenschutzlöcher in der App befindet, die so sensible personenbezogene Daten abgreift.
Die Bundesregierung versicherte derweil, dass die Nutzung der App rein freiwillig sein werde. Erste Ideen, den Nutzern der App bestimmte Vergünstigungen oder Vorteile einzuräumen seien nicht mehr geplant. Um möglichst viele Menschen von der Sinnhaftigkeit der App zu überzeugen, wäre eine offene Informationspolitik notwendig, so der Bundesinnenminister.
Darf der Arbeitgeber die Corona-App anordnen?
Während die Bundes- und Landesregierungen effektiv keine gesetzliche Grundlage hätten, um die Nutzung der Corona-App anzuordnen, könnten Arbeitgeber von ihrem Weisungsrecht Gebrauch machen, um Mitarbeiten die Nutzung der App anzuordnen? Datenschutzexperten sehen das sehr kritisch. Tatsächlich haben Arbeitgeber gegenüber ihren Mitarbeitern ein Weisungsrecht. Dieses Weisungsrecht bezieht sich allerdings allein auf den betrieblichen Bereich. Über das Privatleben haben Arbeitgeber selbstverständlich kein Weisungsrecht.
Eine Anweisung des Arbeitgebers, die Corona-App auf dem Handy der Mitarbeiter zu installieren, hätte allerdings weitreichende Konsequenzen über den betrieblichen Bereich hinaus. Während Arbeitgeber eine Fürsorgepflicht gegenüber ihren Mitarbeitern haben, haben Arbeitnehmer nicht die Pflicht, ihre Gesundheit und Arbeitskraft zu schützen. Arbeitsrechtsexperten zu Folge ist die Anordnung zur Nutzung der App aus diesen Gründen nur dann rechtens, wenn keine anderen Maßnahmen zum Gesundheitsschutz, wie Masken, Abstandsregeln oder Abtrennungen aus Glasscheiben umgesetzt werden können.
Was soll die App für Gesundheitsämter leisten können?
Neben dieser App plant das Bundesinnenministerium eine weitere App, die Gesundheitsämtern erleichtern soll, den Krankheitsverlauf von Patienten in häuslicher Quarantäne zu verfolgen und zu kontrollieren, ob diese sich an die Quarantäne hielten.
Die App wird in ihrer gegenwärtigen Planung zwei Funktionen haben. Zum einen können Patienten eintragen, welche Symptome sie erfahren und so den Gesundheitsämtern digital mitteilen, wie sich die Krankheit entwickelt.
Die zweite Funktion ist die Kontrolle der häuslichen Quarantäne. Diese erfolge gegenwärtig in der Regel telefonisch, was mit einem großen personellen Aufwand verbunden sei. Diese App soll damit die Mitarbeiter der Gesundheitsämter entlasten.
Ein solches „Symptomtagebuch“ beinhaltet sensible personenbezogene Daten, weswegen sichergestellt werden muss, dass diese nur von den zuständigen Mitarbeitern eingesehen werden können und eine unrechtmäßige Weiterverarbeitung ausgeschlossen ist. Die Funktion zur Kontrolle der häuslichen Quarantäne würde die GPS-Standortdaten der Nutzer abfragen und wäre damit mindestens ebenso sensibel. Diese App muss noch intensiv diskutiert werden. So wie die App gegenwärtig geplant ist, handelt es sich um eine datenschutzrechtliche Horrorvorstellung.
Update 18.05.2020:
Keine europaweit einheitliche App
Erste Pläne der Europäischen Kommission, eine europaweit einheitliche Corona-App entwickeln zulassen, werden nicht umgesetzt werden. Hier stehen zu viele Hürden im Weg: die Vorgaben und Interessen der unterschiedlichen Mitgliedsländer unterscheiden sich zu stark.
Stattdessen hat die EU-Kommission vor dem Wochenende eine neue Richtlinie publiziert, die eine Zusammenarbeit der nationalen Apps fordert. Die Nutzer sollen auch von ihrer App gewarnt werden können, wenn sich ein infizierter Nutzer einer anderen App in ihrer Nähe aufgehalten hat.
Auch das Europaparlament hat sich zwischenzeitlich für eine europaweite Zusammenarbeit der App-Hersteller ausgesprochen.