DSGVO

Arbeitnehmer machen immer öfter von datenschutzrechtlichen nach den Auskunftsansprüchen der DSGVO Gebrauch. Allerdings werden mit einer solchen Gebrauchnahme nicht immer datenschutzrechtliche Zwecke und Ziele verfolgt. Zu beobachten ist, dass Auskunftsansprüche u.a. auch als Druckmittel im Rahmen von Kündigungsschutzprozessen genutzt werden, um im Ergebnis zumindest eine höhere Abfindung auszuhandeln.

Doch wie weit gehen solche Ansprüche bezüglich ihres Umfangs? Diese Frage gehört zu den am meist diskutierten Fragen seit dem Inkrafttreten der DSGVO. Aufgrund der Nutzung als Druckmittel im Rahmen von Kündigungsschutzprozessen hat diese Frage auch einen enormen praktischen Wert. In diesen Problemkomplex lässt sich das BAG Urteil vom 27.04.2021 -2 AZR 342/20 einordnen.

Art. 15 DSGVO

Bevor auf den konkreten Fall eingegangen werden soll, soll zunächst ein systematischer Blick auf Art. 15 DSGVO geworfen werden. Das Fundament der DSGVO bilden bestimmte grundlegende Prinzipien: Das Prinzip der Zweckbindung, der Datenminimierung, der Richtigkeit, der Speicherbegrenzung, der Integrität und Vertraulichkeit, der Rechenschaftspflicht, der Rechtmäßigkeit bezüglich der Verarbeitung nach Treu und Glauben und das Prinzip der Transparenz. Das Prinzip der Transparenz setzt u.a. voraus, dass alle Informationen bzw. Mitteilungen zur Verarbeitung personenbezogenen Daten leicht zugänglich und verständlich und in klarer und einfacher Sprache abgefasst sind.

Eine Ausprägung dieses Grundsatzes ist auch Art. 15 DSGVO. Art. 15 DSGVO normiert Auskunftsansprüche und bildet damit einen fundamentalen Teil der Betroffenenrechte neben den Informationspflichten des Verantwortlichen aus Art. 13 und Art. 14 DSGVO.

Allgemeine Anspruchsvoraussetzungen im Sinne der DSGVO

Ist der Anwendungsbereich eröffnet und wurde vom Betroffenen ein entsprechendes Verlangen beim Verantwortlichen geltend gemacht, so hat der Verantwortliche die Auskunft zu erteilen. Dies gilt ausnahmsweise nur dann nicht, wenn ein Grund für die Auskunftsverweigerung vorliegt. Weitere Anspruchsvoraussetzungen existieren tatsächlich nicht.

Anspruchsberechtigter

Nach Art. 15 Abs. 1 DSGVO ist die Auskunft nur der „betroffenen Person“ zu erteilen. Der Begriff der betroffenen Person ist in Art. 4 Nr. 1 DSGVO legaldefiniert. Danach handelt es sich um eine Person die von der Verarbeitung personenbezogener Daten betroffen ist. Personenbezogene Daten sind alle Informationen, die sich auf eine identifizierte bzw. identifizierbare natürliche Person beziehen.

Anspruchsgegner

Der Anspruchsgegner iSd Art. 15Abs. 1 DSGVO wird ebenso in Art. 4 Nr. 7 DSGVO legaldefiniert. „Verantwortlicher“ ist die natürliche oder juristische Person, Behörde, Einrichtung oder andere Stelle, die allein oder gemeinsam mit anderen über die Zwecke und Mittel der Verarbeitung von personenbezogenen Daten entscheidet.

Anspruchsverlangen

Art. 15 DSGVO ist an ein Verlangen der betroffenen Person bezüglich einer Auskunft geknüpft. Von sich aus ist der Verantwortliche also nicht zur Auskunft verpflichtet. Dem Betroffenen ist es auch möglich einen 3. mit der Geltendmachung des Anspruchs zu bevollmächtigen. An eine spezifische Form ist das Verlangen nicht geknüpft.

Inhalt der Ansprüche nach DSGVO

Zunächst ist zwischen Art. 15 Abs. 1 Hs. 1 DSGVO, Art. 15 Abs. 1 Hs. 2 DSGVO und Art. 15 Abs. 3 DSGVO zu differenzieren.

Art. 15 Abs. 1 Hs. 1 DSGVO

Art. 15 Abs. 1 Hs. 1DSGVO enthält zunächst einen Anspruch der betroffenen Person gegen den Verantwortlichen, der betroffenen Person zu bestätigen, ob ihn betreffende personenbezogene Daten verarbeitet werden oder nicht.

Art. 15 Abs. 1 Hs. 2 DSGVO

Daneben hat der Betroffene nach Art. 15 Abs. 1 Hs. 2 DSGVO die Möglichkeit vom Verantwortlichen eine Beauskunftung der verarbeiteten Daten der betroffenen Person iSd Hs. 2 zu verlangen. Die Informationen nach lit. A bis h kumulativ zu beauskunften und umfassen:

  1. a) die Verarbeitungszwecke
  2. b) die Kategorien personenbezogener Daten, die verarbeitet werden
  3. c) die Empfänger oder Kategorien von Empfängern, gegenüber denen die personenbezogenen Daten offengelegt worden sind oder noch offengelegt werden, insbesondere bei Empfängern in Drittländern oder bei internationalen Organisationen;
  4. d) falls möglich die geplante Dauer, für die die personenbezogenen Daten gespeichert werden, oder, falls dies nicht möglich ist, die Kriterien für die Festlegung dieser Dauer;
  5. e) das Bestehen eines Rechts auf Berichtigung oder Löschung der sie betreffenden personenbezogenen Daten oder auf Einschränkung der Verarbeitung durch den Verantwortlichen oder eines Widerspruchsrechts gegen diese Verarbeitung;
  6. f) das Bestehen eines Beschwerderechts bei einer Aufsichtsbehörde;
  7. g) wenn die personenbezogenen Daten nicht bei der betroffenen Person erhoben werden, alle verfügbaren Informationen über die Herkunft der Daten;
  8. h) das Bestehen einer automatisierten Entscheidungsfindung einschließlich Profiling gemäß Artikel 22 Absätze 1 und 4 und – zumindest in diesen Fällen – aussagekräftige Informationen über die involvierte Logik sowie die Tragweite und die angestrebten Auswirkungen einer derartigen Verarbeitung für die betroffene Person.

Das Problem: Art. 15 Abs. 3 S. 1 DSGVO

Nach Art. 15 Abs. 3 S. 1 DSGVO stellt der Verantwortliche eine Kopie der personenbezogenen Daten, die Gegenstand der Verarbeitung sind, zur Verfügung. Sowohl die dogmatische Einordnung dieses Rechts, also auch die Reichweite sind dabei sehr umstritten. Allerdings soll sich nur auf den Streit bezüglich der Reichweite des Rechts nach Abs. 2 konzentriert werden. Extensive Auslegung

Man könnte Art. 15 Abs. 3 S. 1 DSGV weitauslegen. Dieser Auslegung zur Folge sind der betroffenen Person vom Verantwortlichen alle von ihm oder in seinem Auftrag gespeicherten bzw. verarbeiteten personenbezogenen Daten in der bei ihm vorliegenden als Kopie zu übermitteln, da Abs. 3 S. 1 einen eigenständigen Anspruch auf Datenkopie vermittle. Der Anspruch geht zwar nicht so weit, dass er Verantwortliche die übermittelten Rohdaten aufzuarbeiten hat, damit diese von der betroffenen Person anschließend verwendet werden können. Auf Nachfrage des Betroffenen sei der Verantwortliche allerdings verpflichtet, die Kopie so zu erläutern, dass sie ein verständiger Dritter nachvollziehen könne. Die Folge: Einem Arbeitnehmer wären alle elektronisch verarbeiteten Arbeitszeitnachweise, Entgeltunterlagen, Lohnkonten sowie den Arbeitnehmer betreffenden E-Mails zu übermitteln. Vor allem im Falle eines langjährigen Arbeitsverhältnisses, was den Regelfall darstellt und in Anbetracht dessen, dass der E-Mail Verkehr ein Hauptkommunikationsmittel der Arbeitsweltdarstellt, können allein die Anzahl der E-Mails eine enorm hohe Summe erreichen. Gleiches gilt für sämtliche den Anspruchsteller betreffenden geschäftlichen Unterlagen einer Bank oder einer Versicherung, die dem Betroffenen nicht nur sämtliche über ihn vorliegenden internen Gutachten mitzuteilen hätten, sondern auch sämtliche Schriftwechsel mit dem Betroffenen, sogar wenn diese dem Betroffenen bereits vorliegen würden.

Restriktive Auslegung

Man könnte Art. 15 Abs. 3 S. 1 DSGVO eng auslegen. Nach dieser restriktiven Auslegung normiert Art. 15Abs. 3 S. 1 DSGVO nur eine Form der Auskunft, wo durch der Gehalt an Information bezüglich der personenbezogenen Daten von Abs. 3 S. 1 nicht weitergehen könne als der von Abs. 1Hs. 1/Hs. 2. Dies hat zur Folge, dass durch Abs. 3 S. 1 lediglich die von Art. 15 Abs. 1 Hs. 1/Hs. 2 DSGVO umfassten Daten als Kopie und damit als eine Art „Annex“ zur Auskunft mitzuteilen seien.

Rechtsprechung

In der Rechtsprechung herrscht bezüglich der eben vorgestellten Ansichten noch keine Einigkeit. Im Jahr 2014 entschied der EuGH, dass das Auskunftsrecht kein Recht auf Datenkopie umfasse, was von der restriktiven Gegenansicht als Argument für ihre Ansicht herangezogen wird. Jedoch erging diese Entscheidung noch zur RL 95/46/EG und ist damit für die DSGVO nicht anwendbar. Freilich scheint die Gegenansicht dies zu übersehen oder zu ignorieren. Das LAG Baden-Württembergfolgt der extensiven Ansicht, wenn es einem Arbeitnehmer ein Recht auf Übersendung einer Kopie von Ermittlungsakten gewährt, die ein Arbeitgebergegen den Arbeitnehmer im Rahmen einer Compliance-Untersuchung führt. Zwar ging es vor dem BAG in die Revision, allerdings wurde diese zurückgenommen. Folglich ist das Urteil des LAG Baden-Württembergrechtskräftig und ist für arbeitsrechtliche Streitigkeiten nach wie vor das Maß aller Dinge. Allerdings entstand dieser Maßstab vielmehr durch die Rücknahme der Revision. Das OLG Köln tendiert in seiner Argumentation klar in Richtung der extensiven Ansicht, während das LG Köln eher der restriktiven Ansicht folgt. Das Arbeitsgericht Düsseldorf vertritt ebenfalls die extensive Ansicht. Nur eines ist also klar: Es herrscht höchstrichterlicher Klärungsbedarf.

Sachverhalt

Dem Urteil liegt folgender Sachverhalt zu Grunde: Der Kläger war seit dem 01.01.2019 bei der Beklagten als Wirtschaftsjurist beschäftigt. Im Zuge der Einstellungsgespräche am 28.11.2018 bzw.06.12.2018 sprachen die Parteien unter anderem darüber, dass der Kläger

Datenschutzbeauftragter werden solle. Bei der Beklagten sind mindestens zehn Mitarbeiter mit der automatischen Datenverarbeitung personenbezogener Daten beschäftigt. Das Amt des bei der Beklagten bestellten bisherigen Datenschutzbeauftragten endete am 31.12.2018. Unmittelbar nach Beginn des Arbeitsverhältnisses wurde für den Kläger die Teilnahme an der Schulung zum Thema Datenschutzbeauftragter für den Zeitraum 11. bis 14.02.2019 gebucht.

Am 16.01.2019 hörte die Beklagte den Betriebsrat zur beabsichtigten Probezeitkündigung des Klägers an. Der Betriebsrat hat ausweislich des Anhörungsschreibens vom 16.01.2019 noch am selben Tag zugestimmt. Am 17.01.2019 erhielt der Kläger das Kündigungsschreiben vom 16.01.2019. Die Kündigung wurde zum 31.01.2019 erklärt. An der Fortbildung zum Datenschutzbeauftragten nahm der Kläger nicht mehr teil. Die Parteien streiten nun über die Benennung des Klägers als Datenschutzbeauftragter der Beklagten, über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses, einen Auskunftserteilungsanspruch nach Art. 15 Abs. 1Hs. 1/Hs. 2DSGVO und die Erteilung einer Kopie nach § 15 Abs. 3 DSGVO.

Vorinstanzen

Es folgt ein Überblick über den Instanzenzug.

ArbG Hameln Urteil vom 26.6.2019 – Az. 3 Ca 24/19

Da auf Verlangen des Klägers vom 11.03.2019 die Beklagte Auskunft über die personenbezogenen Daten bzw. Kategorien personenbezogener Daten des Klägers nach Art. 15 Abs. 1 Hs. 1/Hs. 2 DSGVO erteilt hatte, kam es bezüglich der reinen datenschutzrechtlichen Auskunftserteilung nach Art. 15 Abs. 1Hs. 1/Hs. 2DSGVO zwischen den Parteien zu einer übereinstimmenden Erledigung. Offen blieb noch der Anspruch auf Herausgabe der Kopien nach § 15 Abs. 3DSGVO, die Benennung des Klägers als Datenschutzbeauftragter der Beklagten und die Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Im Folgenden soll sich allerdings nur noch auf die datenschutzrechtlich relevante Frage bezüglich des Anspruchs auf die Herausgabe der Kopien nach § 15 Abs. 3 DSGVO konzentriert werden. Das Arbeitsgericht Hameln wies die Klage diesbezüglich jedoch ab.

Berufung: LAG Niedersachsen, Urteil vom 09. Juni 2020 – 9 Sa 608/19

Das Berufungsgericht LAG Niedersachsenschloss sich mit Urteil vom 9.Juni 2020 –9 Sa 608/19) der restriktiven Auslegung an und entschied, dass dementsprechend der Anspruch auf Datenkopie nicht weiter reichen könne als der Anspruch auf Auskunft nach Art. 15 Abs. 1 Hs. 1/Hs. 2 DSGVO darüber, welche Kategorien personenbezogener Daten verarbeitet werden. Ein weitergehender Anspruch, vor allem bezüglich Kopien gesamten E-Mail-Verkehrs besteht demnach also nicht. Nach dem LAG Niedersachsenspreche gegen die extensive Auffassung, die den Anspruch auf ganze Datensätze erstreckt, zunächst der Wortlaut. Der Wortlaut von Art. 15 Abs. 3 DSGVO spreche nur von Daten, die „Gegenstand der Verarbeitung“ seien und beziehe sich somit auf Art. 15 Abs. 1Hs. 1/Hs. 2DSGVO. Des weiteren ergebe sich aus dem Erwägungsgrund 63, dass ein gewisser Grad an Bestimmtheit der Daten über die betroffene Person zu fordern ist. Dies hätte zur Folge, dass der Verantwortliche dann, wenn er eine große Menge von Informationen über die betroffene Person verarbeitet, verlangen könne, dass die betroffene Person konkretisiert, auf welche Information oder welche Verarbeitungsvorgänge sich ihr Auskunftsersuchen bezieht, bevor er ihr Auskunft erteilt. Weiterhin ergebe sich aus dem Sinn und Zweck des Art. 15 Abs. 3 DSGVO, der u.a. darin bestehe, dass den betroffenen Personen eine Überprüfung der Datenverarbeitung zu ermöglichen ist (=Ausprägung des Transparenzprinzips). In Anbetracht dieses Schutzzwecks bestehe für die Zurverfügungstellung vollständiger Kopien aller

Unterlagen des E-Mail-Verkehrs kein Bedürfnis, da der Anspruchsteller den E-Mail-Verkehr selbst geführt hat bzw. erhalten hat. Also beschränke sich der Anspruch nach Art. 15 Abs. 3 DSGVO  auf solche Dokumente, die dem Auskunftsersuchenden nicht bereits vorliegen. Somit haben Auskunftsersuchende ihr allgemeines Auskunftsverlangen auf bestimmte Dokumente näher zu konkretisieren und unter anderem zu begründen, warum ihm das jeweilige Dokument nicht bereits vorliegt.

Fazit: BAG Urteil vom 27.04.2021 -2 AZR 342/20

Um das Ergebnis vorwegzunehmen: Das Urteil vom 27.04.2021ist bezüglich des Problems bezüglich der Reichweite des Anspruchs nach § 15 Abs. 3S. 1 DSGVO eine Enttäuschung. Aufgrund dessen, dass der klägerische Antrag nicht hinreichend iSd § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO bestimmt war, musste das BAG die Frage, ob das Recht auf Überlassung einer Kopie gemäß Art. 15 Abs. 3 DSGVO die Erteilung einer Kopie von E-Mails umfassen kann, nicht entscheiden.

In Anbetracht der praktischen Konsequenzen im Falle einer extensiven Auslegung, bleibt der Streit über die extensive und restriktive Auslegung somit weiter ein Dauerbrenner

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